Ähm, bitte?

Ich weiß gar nicht, wo ich hier heute anfangen soll. Es gibt Tage, die kotzen dich regelrecht an. Heute ist wahrscheinlich einer dieser Tage, die sich mit einer ausgereiften Magen-Darm-Grippe vor mir aufbauen und ihr Innerstes … lassen wir das. Was mir die Laune so verhagelt? Menschen. Ja, ich habe endgültig den Moment erreicht, dass ich mein Schreiben hier in Frage stelle. War ja schon mal die Frage, ob das alles Sinn macht. Klar, ich hab Leser. Klar, ich hab Likes auf der Facebookseite. Klar, mir folgen Menschen bei Twitter (wohl auch, weil ich da eben nicht nur Gedanken verpacke). Und normalerweise interessieren mich die Zahlen nicht wirklich, ich schreibe hier für mich, nicht für dich, dich, dich oder dich. Nur für mich. In erster Linie interessiert mich der Austausch untereinander, ja, mit dir, dir und dir. Oder auch dir! Wo jetzt das Problem ist?

Das ich – ja, ich habe jetzt mal auf Zahlen geschaut – mich arg wundere, warum Teenies und Heranwachsende mit ihren Facebookseiten und Tumblr-Blogs mehr Likes generieren, weil sie wahrscheinlich den ganzen Tag über schreiben, wie beschissen doch alles ist. Wie enttäuscht sie sind und werden. Die geklauten Sprüche veröffentlichen. Und was weiß ich nicht noch alles. Und wo bleibt da der „seriöse“ Blogger? Der, der sein Verhalten über lange Zeit reflektiert, seine Geschichten in lange Beiträge verpackt. Was ist mit den Menschen, die sich so viel Zeit nehmen, all diese Artikel in ihren Blogs zu schreiben und doch heimlich gelesen werden möchten? Das ist doch ein Schlag ins Gesicht, wenn man eine Facebookseite mit über 3.000 Likes und dieser Beschreibung entdeckt:

Unbenannt 4Nicht nur die Anzahl der Likes ist ein Schlag ins Gesicht, nein, auch der Rest gibt mir zu denken. Ernst gemeinte Fragen in Nachrichten oder Kommentaren werden nicht beantwortet – von 4 verschiedenen Seiten nicht. Warum? Was ist das Ziel dieser Seiten? Wo solls hingehen? Und wer sind die Menschen, die das liken und verfolgen? Werden Therapien gemacht? Irgendwelche Ansätze zur Verbesserung der Situation? Nein, ich bin nicht doof und ich könnte mich sicher „besser“ vermarkten, das will ich aber gar nicht. Ich habe da so viele offene Fragen zu – und je mehr ich darüber nachdenke, desto wütender macht es mich.

Ebenso wie Menschen in diversen Gruppen. Ja, ich bin Administrator einer gut frequentierten Gruppe über Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen. Nein, ich nehme mir keine Sonderrechte raus, aber auch da macht es mich sauer, mit welcher herablassenden und unwürdigen Art Menschen unterwegs sein können. Manchmal frage ich mich, ob es nicht möglich ist, ein klein wenig Respekt an den Tag zu legen und sich vernünftig zu artikulieren. Ich bin nicht gläubig und habe auch keinen Zugang zu spirituellen Dingen, dennoch lasse ich den Menschen die Freiheiten, das auszuleben. Geht das nicht andersrum auch? Ich schreibe direkter, ich rede „härter“, ich habe Meinungen und die vertrete ich. Und ja, ich haue auch mal direkt dazwischen, wenn es sein muss. Ich möchte nicht geliebt und begehrt sein, ich will nicht polarisieren, ich bin nur einfach authentisch – und versuche mit Fragen zum Umdenken, zum Reflektieren, zum Perspektivwechsel zu bewegen. Und du? Verstellst du dich? Was haben Menschen davon, permanent zu provozieren und andere mit ihrem Verhalten herausfordern zu wollen? Nichts! Wer etwas öffentlich schreibt, darf halt nicht nur mit Lobhudelei rechnen, nein, da kann auch mal Kritik oder Gegenwind kommen. Aber akzeptieren und respektieren kann man die Meinung, auch wenn man sie nicht teilt.

Am Ende steht für mich die Frage nach dem Sinn: Warum tue ich mir das eigentlich alles an? Warum setze ich mich dem aus? Warum schreibe ich hier eigentlich noch, anstatt den Blog einfach aus dem Netz zu nehmen? Warum bin ich in Gruppen unterwegs oder tausche mich noch aus? Warum? Warum ziehe ich mich nicht zurück, mache mein Ding, behalte die gewonnen Kontakte und lebe entspannt als stabiler Mensch? Warum ersticke ich nicht den Wunsch, bei irgendwas teil zu sein und voran zu treiben?

Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Sicher ist, dass ich den Blog nicht lösche. Noch nicht. Vielleicht brauche ich einfach nur eine Auszeit von den Auslösern. Von den Menschen, die mich so in die Gefühlswelt bringen, dass es mich aufwühlt. Von den Menschen, die einfach nur aus ihrem Leid Profit machen wollen und sich in tausenden von Likes suhlen müssen, weil sie es nicht schaffen, ihren eigenen Selbstwert zu bestätigen. Und wisst ihr was? Am Ende sind die Likes nichts wert, null, gar nichts. Denn IHR müsst euch in allererster Linie mögen und selbst bestätigen, damit es ein gutes Gefühl gibt. Das schaffen nicht tausende Follower und Gaffer! Das schaffen auch nicht hunderte von „Mir geht es genauso“-Kommentaren.

Auf Wunsch gebe ich euch gern ein paar Projekte an die Hand, die eure Likes brauchen und verdienen, weil sie aufklären und Mut machen – das ist in meinen Augen wichtiger. Und nach wie vor bleibe ich dankbar für all die tollen Kontakte, die ich hierdurch gewinnen durfte.

Guten Abend.

Auch interessant ...

9 Kommentare

  1. Vielleicht bist Du immer so aktiv, weil Du Dich interessierst, im wesentlichen für Dich selbst, aber es macht schon wütend, was Du schreibst. Und ich kenne das Problem. Insofern bleibt mir nicht mehr, ausser ((<3))

    1. Sicher interessiere ich mich für mich :), alles andere wäre vermessen. Ich bin meinen Weg gegangen und nicht am Ende. Ich kann aus Gesprächen und Erfahrungen profitieren, wie eben auch andersrum. Und ja, das Feedback hier und da ist auch wunderbar, doch die Frage bleibt: Warum setzen wir uns immer wieder dieser negativen Präsenz aus, anstatt mal die andere Seite zu besuchen? Mein Beitrag ist auch keine Bettelei um Aufmerksamkeit, im Gegenteil, der Kern der Menschen ist toll … nur schaust du über den Tellerrand, willst was bewegen, willst was voranbringen, willst verändern, machst den Mund auf, kriegste nur aufs Maul. Danke, nein.

      kleinerdrei! :)

  2. Ich sehe das ziemlich ähnlich wie du. Und ich glaube, das ist das Gaffer-Syndrom. Die Kids liken solche Seiten nicht, weil sie ihnen gefallen, sondern weil sie dort Skandale oder andere aufregende Dinge vermuten. Heutzutage ist doch fast nur noch sowas wichtig. Das denke ich immer bei Seiten wie „unfassbares.de“ und ähnlichen. Die posten immer nur Beiträge wie „Diese Frau mixt Butter mit Zitronensaft und was dann passiert ist unglaublich!“.. da denke ich dann immer „gähn… das muss ja wirklich uuuuunglaublich spannend sein“.. aber die haben Unmengen an likes, weil die Menschen bei so Sprüchen neugierig werden und denken, dass da wirklich was außergewöhnliches passiert. Und man kann doch nicht einfach weiter klicken, ohne zu wissen, was dahinter steckt ;-)
    Ich bin mir relativ sicher, aus solchen (niederen) Gründen schauen auch so viele Menschen DSDS etc an. Sicher nicht wegen den tollen Stimmen, sondern um zu sehen, wie Dieter Bohlen andere Menschen fertig macht etc.
    Und wenn man anderer Leute Probleme zu seinem Mittelpunkt macht, kann man damit wunderbar über die eigenen hinweg täuschen. Oder sie verdrängen.
    Das ist zumindest meine kurz zusammengefasste Meinung über dieses Phänomen…

    Ich fände es sehr schade, wenn du diesen Blog schließen würdest. Ich lese sonst absolut keinen anderen Blog, weil ich eigentlich immer denke, was interessiert mich das Leben von wildfremden Menschen? Oder deren Probleme? Ich habe selber genug davon.
    Aber bei dir habe ich immer das Gefühl, du drückst genau das aus, was ich auch denke oder fühle, aber selber nie so gut in Worte fassen könnte, dass andere mich verstehen. Du kannst das!
    Deswegen ist dies hier der einzige Blog, den ich lese bzw dem ich folge und ich wäre wirklich traurig, wenn es ihn nicht mehr gäbe. Weil ich dann eine Person verliere, bei der ich das Gefühl habe, der versteht mich! Ich bin nicht alleine in meiner verqueren Welt! :-)

    Ich hoffe, du findest deinen Elan wieder.

    Liebe Grüße,
    Anika

    1. Hey Anika,

      puh. Danke für deine lieben Worte und das Kompliment. *hofknicks* Schön, dass sich das für dich so anfühlt. Generell kann ich dir aber sagen: So schnell stelle ich das Schreiben nicht ein, auch wenn mein „Ventil“ gerade etwas verstopft scheint. Aber so ist der Tag halt, die Gefühle, die Wut, die Verwunderung, die Enttäuschung. Gehört ja auch zum Leben – und Gefühle wollen gelebt werden.

      Sicher hätte ich auch meinen Text noch weiter ausführen können, mit eben den Punkten die du auch ansprichst, aber das würde von mir ablenken. Der Artikel soll einfach zeigen, dass ich in meiner stabilen Verfassung auch gerne noch Zweifel habe und mein Handeln in Frage stellen kann. Es macht mich menschlich und ich weiß, ich muss aufpassen, dass ich nicht den Moment verpasse, in die Gedankenspirale zu rutschen.

      Der Elan kommt, das kann ich dir versprechen. Für heute bleibe ich so. ;)

      Grüße!

  3. Hey mein lieber.

    Ich eben dir vollkommen recht, mit deinen Eintrag. Vielleicht brauchst du nur etwas, was das verstopfte Ventil wieder frei macht. Vielleicht nicht heute. . Und auch nicht morgen. Vielleicht erst in den nächsten Wochen. Aber dann ist es so. Darüber wird sich keiner den kopf zerschlagen, geschweige den dich zu „disliken“.

    Setz dich nicht wegen der anderen „3000“ likes Seiten unter druck. Das Bist du Dir doch garnicht wert. Dir so viel Stress und Wut aufzubauen und wieder in die Gedanken Spirale zu gehen. Lass es sein. Nehm es hin. An diesen Seiten kannst du eh nichts ändern. Dann lieber an andere Projekte, die anderen helfen, auch wenn diese noch so klein sind, die Inspiration und Kraft einsetzten. Diese Projekte sind wenigstens effektiver als die anderen, hoch angepriesenen.

    Verliere nicht den Mut! Fühl doch gedrückt.

    <3

    1. Danke! Morgen ist die Welt anders, heute bin ich einfach über diese Seiten gestolpert und dann kommen zwangsläufig die Fragen auf, warum da so eine Resonanz kommt und woanders nicht (und ich gehe mal nicht nur von meinen Blog aus, da gibt es noch andere, die sich die Fragen ebenso stellen). Die Zahlen werden mir weiter egal sein, für heute wars einfach mal der laut ausgekotzte Unmut mit all den Zweifeln, die sich dann gerne einschleichen. Ich vergleiche mich nicht mal mit den anderen, ich konnte mich nur nicht so davon distanzieren. Passiert. Es ist ein Teil von mir. Wir kennen das alle irgendwie, oder? Nur wer spricht so darüber? Wer ist mal laut mit den Gedanken?

      Mut? Hab ich! Der bleibt. Danke fürs Drücken! <3

  4. zuerst ein mal: Es sind nur likes. Nicht mehr und nicht weniger. Irgendwann hat man auf gefällt mir geklickt, weil mein eingeladen worden ist, weil man die zitate schön fand, was weiß ich. Ich interessiere mich, genauso wie du, nicht dafür. Und ich verstehe es überhaupt nicht, wie eine Seite mit sprüchen, die einen derartig runterziehen, so beliebt sein kann. Ich war ab und zu auf tumblr-blogs und ich habe sie so schnell wie möglich wieder verlassen, weil sie einen nur noch fertig machen. Da kann es einem doch nicht besser gehen? Leute, die sich das regelmäßig antun, müssen doch wollen, dass es ihnen immer schlechter geht?
    Und leute, die das posten, fühlen sich durch jeden like besser und bestätigt. Vielleicht ist das ihre art, das alles zu verarbeiten? Ich verstehe es nicht. Aber ich muss es ja auch nicht, ich meide solche seiten weiter hin.

    Umso wichtiger finde ich es, dass es Blogs wie diese hier gibt, die nicht nur aus „scheiß tag, scheiß leben“-Sprüchen bestehen und die kein Mitleid erwarten. Schau dir so etwas gar nicht an. Deine Aufregung tut niemanden gut und ändert vor allem nichts.

    1. Mittlerweile habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, warum ich da so drauf reagiere. Und ich glaube, dass es wirklich der Punkt ist, dass da „Kinder“ und Teenager sich dem „schlecht fühlen wollen“ ergeben. Es war mal „in“ so emo zu sein, dauernd so traurig zu wirken, aber vielen ist nicht die Tragweite ihres Handelns bewusst. tumblr toppt das Ganze dann einfach nur noch.

  5. Hallo und guten Morgen :)

    erstmal ein großes Lob für deinen Blog und Dank dafür,dass du deine Gedanken und Gefühle mit der Welt teilst. Das macht (und erfordert) Mut, zeigt neue Perspektiven auf und es wird klar: man ist nicht allein mit diesem Gefühlschaos.

    Deine oben beschriebenen Gedanken sind sehr gut nachvollziehbar und auch die weiteren Kommentare. Aber… wenn man mal davon ausgeht, dass es tatsächlich Kinder und Jugendliche sind, die da ihre konfusen Gefühle beschreiben, darf man nicht vergessen, dass diese Gefühlsextrovertiertheit gar nicht so unnormal ist in diesem Alter. Jugendliche werden erwachsen, sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber stehen, Verantwortung, Liebe, Selbstständigkeit aber trotz allem liebes- und sicherheitsbedürftig. Es mag nur durch die Möglichkeit, sich (halbwegs anonym) in sozialen Netzwerken darstellen zu können, präsenter erscheinen. Früher haben Jugendliche möglicherweise Tagebuch geschrieben, heutzutage schreiben sie einen Blog, präsentieren sich in vermeintlicher Anonymität eben dieser sozialen Netzwerke. sie schaffen sich dadurch den nötigen Austausch, den sie vielleicht in ihrer realen Umgebung nicht erhalten (können/ dürfen) um (auch) mit ihren Gefühlen zurecht zu kommen. Diese Aufmerksamkeit, diesen Austausch brauchen sie ebenso wie „deine LeserInnen“ oder vielleicht ja auch du, damit deutlich wird, niemand ist allein mit seinen Gedanken. Der Austausch bringt neue Perspektiven, wie eben auch das Lesen in diesem, deinen oder jedem anderen Blog (eingangs beschrieben und gelobt :) ). Vielleicht liegt es an den erfahreneren Menschen, zum einen erst einmal dieses (durchaus angemessene) jugendliche Gefühlschaos zu respektieren und zum anderen diesen Jugendlichen Mut zu machen, dass es für den Moment okay ist, sich so zu fühlen, es aber auch einen Ausweg gibt und sich die Dinge ändern werden. Da sind wir doch alle durchgegangen und wer hätte sich nicht einen verständnisvollen Menschen gewünscht, der/ die einen dadurch lotst?!

    Natürlich ist ihnen die Tragweite ihres Handelns mitunter nicht bewusst, wie denn auch, wenn niemand Aufklärung betreibt. Wo lernen Kinder und Jugendliche denn Medienkompetenz? Klar, in der Schule eventuell. Doch sicher nicht in Bezug auf die Auswirkungen tiefemotionaler Blogeinträge, Suizidankündigungen, Selbstverletzungen etc. Da wird in der Schule (und auch zu Hause) nicht drüber gesprochen, es gibt schließlich Wichtigeres, wie den Bildungsplan, der eingehalten werden muss. Denn…sonst würden sich Jugendliche nicht so im „Netz“ verhalten…

    Doch ich wollte hier keine Diskussion über das Schulsystem ins Leben rufen oder eine Schuldfrage aufwerfen. Nur dafür sensibilisieren, dass wir alle erst einmal lernen mussten, mit solchen Gefühlen umzugehen und es sinnvoll ist, auch hier eine neue Perspektive einzunehmen.

    Herzliche Grüße und ganz viel Power, lieber Herr B. und natürlich auch für alle LeserInnen :)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert