Manchmal passieren Dinge, die einem nochmal die Augen öffnen sollen. Manchmal nehmen wir Menschen diese Momente aber nicht als Warnung wahr. Und manchmal, da muss man einfach mal drei Schritte zurück machen, damit es weiter vorwärts gehen kann. Nicht immer ist es der richtige Weg, wenn man volle Pulle nach vorne schießen will. Selbst Langstreckenläufer müssen sich ihre Kraft sinnvoll einteilen, damit sie am Ziel noch vorne sind. Keiner von denen sprintet sofort los. Falscher Ehrgeiz bewirkt meist (nicht immer) das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte.
Und wie passt das nun zu mir? Letzte Woche gab es bei mir eine, nun ja, nennen wir es mal „Explosion“. Kopf und Körper haben nicht mehr mitgemacht und ich bin emotional aus der Haut gefahren. Die einen würden sagen, das war ein „Nervenzusammenbruch“, aber der lässt sich wissenschaftlich nicht belegen und es wertet die Situation ab. Ich bin nicht zusammengebrochen, ich bin explodiert und konnte danach auch Gutes mitnehmen. Es tat gut, einfach mal emotional alles herauszulassen und zu sagen, was den Kopf belastet. Sicher war es schwer, mich in der Situation wieder zu beruhigen, aber dennoch kann ich jetzt nach vorne blicken.
Habt ihr euch eigentlich mal Gedanken gemacht, welchen Stellenwert ein Beruf in unserem Leben hat? Momentan muss ich mir eingestehen, dass es völlig falsch war nach der Therapie direkt in einen neuen Vollzeitberuf einzusteigen. Schlau wäre gewesen, wenn ich vielleicht noch 2 Wochen zu Hause geblieben wäre und hätte mich „aklimatisiert“, mich ausreichend um externe Probleme kümmern und auch mich als Fundament stabilisieren. Jetzt – wo der Drops gelutscht ist – spreche ich in der ambulanten Therapie darüber. „Herr B., was meinen sie denn, wie arbeitsfähig sie sind? Nennen sie mal eine Prozentzahl.“ „So zwischen 70 und 80%. Der Beruf ist ein Ausgleich für mich, da werde ich gebraucht und darf das machen, was ich kann.“ „Finden sie es nicht etwas paradox, dass der Beruf ein Ausgleich für das Privatleben ist? Sollte das nicht anders herum sein?“
Das war der Weckruf. Sicher, es sollte andersrum sein. Warum also sehe ich denn nun so falsch? Auch da tauchen die alten Verhaltensmuster auf: Die Anerkennung und Wertschätzung für die Leistung. Automatismen und Funktionen, die ich kenne und ohne Fehler bearbeiten kann. Ich kann im Beruf einfach „funktionieren“, ohne dass ich mir groß Gedanken machen muss. Außerdem schaltet mein Kopf die Probleme aus und ich kann mich rein auf die Arbeit konzentrieren. Und es ist ja auch in Deutschland so, dass man den Beruf als Stellenwert und Messlatte ausgibt. Leider. Doch wenn das Fundament (in diesem Fall ich selbst) bröckelt, dann kann ich noch so viele tolle Häuser darauf bauen, es ist wackelig und stürzt sicher oft genug ein. Meine Aufgabe ist es, die Situation jetzt zu akzeptieren, es nicht als falsch anzusehen, dass ich gerade „krank“ bin und das sich nicht in körperlichen Symptomen äußert. Wie soll man eine Krankheit erklären, die nicht sichtbar ist und es jetzt noch seine Zeit braucht, bis es wieder voll losgehen kann?
Es ist aber auch die Chance für eine Neuausrichtung. Ich muss nicht wieder in die Versicherung, ich muss nicht im Einzelhandel arbeiten. Darf ich die Zeit nutzen, um in Teilzeit neue Erfahrungen zu sammeln? Soll ich vielleicht in Bereiche, die auch Teile meiner Hobbys sind und mir richtig Spaß machen? Kann Arbeit wirklich Spaß machen? Ja! Definitiv ja! Und das wird nun mein neues Ziel. Ich werde mich einfach daran halten, was ich kann, was ich machen möchte und ich mit alt werden kann. Bis dahin, bin ich Hausmann. Und ich weiß, ich kann auch darauf stolz sein und die Alltagsaufgaben zu etwas besonderem machen. Es ist gut so, wie es ist. Es ist gut, dass es so gekommen ist, wie es ist. Und nein, es macht mich nicht zu einem schlechteren Menschen.
Starten wir also ein kleines Märchen mit Fortsetzungscharakter:
„Es begab sich zu einer Zeit im Jahre 2013, als der Sommer noch auf sich warten lies, der Regen in Massen die Straßen und Gärten befeuchtete und Herr B. gedanklich aufbrach zu neuen Ufern …“