Es ist Juni im Jahr 2016. Ich bin Vater von einem 10 Monate alten Sohn, bin seit 4 Jahren mit meiner „Frau“ zusammen, arbeite seit 1 1/2 Jahren wieder regelmäßig und habe seit fast 2 Jahren meine Depressionen und die Gedanken im Griff. Es ist immer noch Juni. Es ist der Juni, für den wir den ersten „Sommerurlaub“ geplant haben. Als Familie. Eine Woche Urlaub. Natürlich haben wir kurze Tripps gemacht. Ans Meer, in Städte, kurze Auszeiten eben. Diese Woche Urlaub ist dennoch besonders. Warum? Es ist endlich finanziell möglich. Ganz einfach. Wer nicht richtig arbeitet bzw. nicht arbeiten kann, weil es schlichtweg nicht möglich ist, der kann sich auch nicht viel erlauben. Punkt! Vorfreude ist da auch ein schönes Stichwort.
Es tut so wahnsinnig gut, frühzeitig einen Urlaubsantrag abzugeben und diesen genehmigt zu bekommen. Für viele von euch mag das alles so selbstverständlich sein. Familienleben. Familienurlaub. Urlaubsplanung am Jahresanfang. All dieser Kram. Für mich ist es neu. Und es tut gut. Wo wir waren? Am Meer.
Wir waren letzte Woche also am Meer. Aber nicht nur das. Wir waren auf dem Bauernhof. 150 Meter hinterm Deich. 2 km außerhalb des Ortes und vom Strand weg. Eine kleine Ferienwohnung mit tollem Ausblick. Und warum wieder Kind? Als Kind war ich mit meinen Eltern oft in Bayern, in der Nähe vom Chiemsee. Erst neben dem Bauernhof, die letzten Jahre direkt auf dem Bauernhof. Nichts erinnerte mich beim Ankommen an diese Zeit, erst als wir die Haustür aufgemacht haben. Dieser typische Geruch in den Wohnhäusern auf dem Hof.
Freilaufende Katzen. Knatschende Treppen. Kühe. Kuhgeräusche. Traktorgeräusche. Wenn ich die Augen schließe, bin ich wieder auf dem Hof, den ich aus Kindertagen kenne. Den Hof, wo ich Traktor fahren durfte, Kühe melken, misten, füttern, auf dem Heuboden rumgetollt bin, mittags mit der Familie gegessen habe, Rasen gemäht habe und meine Zeit lieber dort verbracht habe, als mit Schwimmen im Chiemsee. Verrückt, oder? Meer und Berge, gegensätzlicher kann es nicht sein, aber in Bayern hatte ich auch schon immer das Wasser mit dabei.
Kindheitserinnerungen, die einfach gut tun. Da sitze ich nun mit 35 Jahren, meiner eigenen Familie und habe das Gefühl, genau das zu machen, was ich erlebt habe. Unbewusst. Dennoch richtig. Richtig für unseren Sohn, der alles interessiert aufgenommen hat. Und ich erlebe alles einfach nochmal mit. Das Gesamtpaket stimmte. Und wir sind glücklich wieder zu Hause angekommen.
Nicht nur das erinnert mich an meine Kindheit. Es sind Planungen an einen Kleingarten. Ein Domizil zur „Zwischendurcherholung“. Ein Ort zum Spielen und Toben für den Bengel. Etwas Natur und Ruhe für uns. Ein Ort, wo alle zusammenkommen können und wir nicht in der ollen Butze hocken müssen. Ein Kleinod voller Schönheit. Auch das kenne ich eigentlich gut genug und habe mich immer dagegen gewehrt, irgendwas in irgendeinem Garten machen zu wollen. Und nun bin ich es, der sich dafür einsetzt. Und im Herzen auch möchte. Es ist verrückt, wirklich.
All das zeigt aber auch wieder, dass wir alle durch unsere Kindheit geprägt sind. Egal in welcher Form. Sie hat mich sehr beeinflusst. Sie hat mich verändert. Sie hat mich aber auch zu dem gemacht, der ich bin. Sie hat mich viel gelehrt. Und all dieses Wissen aus Kleingarten, Kuhställen und Fahrradfahren (und wohl auch anderen Dingen) habe ich heute parat. Für uns. Für meinen Sohn.
Natürlich klingt das alles wunderbar. Oder? Ihr sucht schon wieder zwischen den Zeilen, richtig? Müsst ihr nicht. Klar habe ich schwarze Tage, Stunden, Momente. Manchmal kann ich auch einfach nicht einschlafen, weil ich mir Gedanken über dies und das mache – auch über viele Dinge, die ich einfach nicht ändern kann. Auch über Situationen und vergangene Momente. Trotzdem läuft es. Es gibt schwere Tage, wo alles zu viel scheint. Und auch da bin ich dankbar, dass wir uns hier ergänzen und fordern.
Das Familienleben ist der beste Therapeut geworden. Mein Sohn trotz aller Energie der Ruhepol in all dem Stress. Der Auslöser, mich jeden Tag zu fokussieren und zu wissen, warum es laufen kann. Warum wir uns als Eltern auch in schweren Momenten mal zusammenreißen müssen, an anderen Tagen wir einfach nur wir sind und wieder anderen nur rumalbern. Liebe. Und Zusammenhalt.
Liebe, die ich damals vermisst habe. Liebe, die heute sehr präsent ist. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Halt! Sie wiederholt sich nicht, sie ist anders … denn hier gibt es all das, worum ich ohne Ergebnis kämpfen musste. Und doch haben sie versucht, das Beste für mich zu erreichen. Nichts anderes werde ich für meine Familie machen.
Ihr habt sicher mit einer Geschichte gerechnet, in der ich mich auskotze, wie beschissen wieder alles geworden ist, oder? Wirklich? Hmpf. Die habe ich im Moment leider nicht. Denn ich zieh dann den Kopf aus der Schlinge, wenn es brenzlig wird.
Achtet auf euch!
3 Kommentare
Familie, Arbeit und die eigene Gesundheit. Für mich jetzt wo ich ständig am Gleichgewicht arbeite. Dazu gehört dann auch die Urlaubsplanung. Accu lädt für mich nur auf bei 3 Wochen zusammen mit Familie mit Erholung.
Ein wunderbarer Eintrag!
Ja, Kindheit prägt – und ja,mit der eigenen Familie wird einem eine zweite Chance für ein gutes Leben geschenkt. Auch wenn man immer wieder mit alten Verletzungen konfrontiert wird, es lohnt sich zu reflektieren, zu verstehen und trotz ähnlicher Situationen anders zu handeln ud zu erleben als die Familiengeschichte es geschrieben hat.
Bleiben Sie so wachsam, Ihr Jonas braucht eine solchen Papa!
LG
Können Sie Ihre Eltern jetzt besser verstehen? Die hatten den gleichen Wunsch für ihr Kind, wie Sie jetzt für Ihren Kleinen. Das ist doch auch wirklich gewesen, warum bleiben denn die bitteren Gedanken (Wut/Muttertag) so präsent? Man könnte sie auch einfach in den Müll schieben und sich mit den erfreulicheren Dingen der Gegenwart und der Vergangenheit beschäftigen?
Ich freue mich an Ihrem Familienglück und wünsche Ihnen weiterhin Zufriedenheit, Interessen und neue /alte Gefühle aus Ihrer Kindheit!