Verloren im Zeifel. Oder Gefangen in der Welt der Selbstkritik. Es ist völlig egal, wie ich es ausdrücke, es kommt auf ein ähnliches Ergebnis. Es ist auch vollkommen Hupe, wie ich es nenne. Ich sitze hier. Mit Zweifeln. Wie so oft. Wie fast immer. Wie viel zu oft schleicht sich das Gefühl nicht zu genügen nicht ein, es ist da. Es schlägt mir wie ne Abrissbirne um die Ohren. „Du reichst einfach nicht. Egal, was und wie viel du machst.“ Ein Gedanke, der ein Gefühl auslöst und mich lähmt. Der wieder alle Motivation zunichte macht und mich blockiert. Alles, wirklich alles. Also? Verbringe ich die meiste Zeit des Tages einfach damit, nicht zu genügen. Damit ich diesem verfickten Gedanken alle Ehre mache. Ich sitze hier und schaffe es nicht, mich ausreichend zu kümmern – weil ich es einfach nicht schaffe. Ich würde so gerne. Ich würde auch so gerne reichen.
Vor allem würde ich mir gerne reichen. Ich reiche mir nicht. Ich kann gar nicht reichen, wenn ich das noch immer so fühlen und denken muss. Denke ich es eigentlich noch, oder ist es schon wieder die Wahrheit? Kann ich es wirklich irgendwann überwinden? Kann ich frei sein von diesem Kurzschluss der Synapsen? Kann ich das Programm auf der Festplatte in meinem Kopf neu installieren? Gibt es endlich ein Update? Verdammt, ich weiß es nicht. Und manchmal ist das auch alles einfach schwer auszuhalten. Was? Mich! Ich muss MICH ja aushalten. Ich kann mir nicht aus dem Weg gehen. Andere können das. Andere können sich eine Pause von mir nehmen. Sie machen irgendwas alleine, schreiben nicht mehr, werden distanzierter oder sonstwas. Ich kann das nicht! Ich werde es nie können! Wie soll ich mir aus dem Weg gehen? Entspannung schaffen mit irgendwelchen Übungen? Nein! Verdammte Scheiße, ich habe keine Lust mehr auf Übungen. Ich will nichts mehr überprüfen müssen. Ich will das nicht mehr aushalten müssen. ICH WILL DAS NICHT MEHR FÜHLEN MÜSSEN! Ich möchte einfach nur mal kurz genügen. Ich möchte auf Augenhöhe sein. Ich möchte mich nicht mehr selbst abwerten.
Ich werde es nicht „einfach so“ können. Es ist auf der einen Seite auch wichtig, weil ich so nicht abhebe, nicht überheblich werde und immer bedenke, wo meine Wurzeln sind. Die Arroganz, die mir manchmal zugeschrieben wird, ist keine. Niemals. Es ist Freude und Sicherheit, die damit aber wieder zerrüttet wird. Ich bin dünnhäutig. Im Moment kann es ein Spießrutenlauf sein, mit mir umgehen zu müssen – weil mich manche Aussage verletzt. Das ist auch völlig ok. Ich muss damit umgehen lernen. Die Aussage ist nicht vorsätzlich, sie ist einfach da. Manchmal auch lustig und charmant. Und genau dieses manchmal ist mein Verhängnis. Ich würde gerne wieder über mich lachen. Nein, halt, ich würde gerne wieder mehr über mich lachen können. Ich hab nichts zu lachen. Nicht jetzt. Ich habe keine depressive Episode, ich komme nur einfach nicht mit den Werten zurecht. Welchen Wert habe ich denn nun für mich? FÜR MICH! Ich für mich! (Anm.: Den kann ich nur ganz alleine bestimmen.)
Wissen.
Was ich sicher weiß? Für andere – aus der Vergangenheit- habe ich keinen Wert. Aus mir kann ja nichts werden. Ich bin 36, was habe ich schon erreicht? Ich sollte dies schon gemacht haben. Oder jenes. Konnte ich nie. Kein Geld. Oder kein irgendwas. „Mach dies so, streng dich hier mehr an, geh nicht da hin. Wenn du das so machst, versaust du es dir. Wenn dies, dann das. Wenn dort, dann hier. Wenn blah, dann mäh. Und überhaupt: Haste schon abgenommen?“ Ich weiß nicht, wie viele Sätze ich über Jahre oder mittlerweile Jahrzehnte gehört habe. Immer wieder. Immer und immer und immer wieder. Solange, bis die Festplatte mit der Scheiße randvoll war. Viele Menschen haben einen Anteil daran, dass ich genau das heute noch glaube und mit Leidenschaft darin zurückfalle. Auch heute gibt es Menschen, die das in mir auslösen können. Weil ich es zulasse. Nicht, weil ich schwach bin. Ich lasse es zu, weil ich offen und verletzlich bin. Ich lasse es zu, weil ich gebe und bekommen möchte. Ich lasse es zu, weil ich diesen Menschen vertraue. Weil ich daran glaube, dass wir einander guttun können. Im Moment ist es schwer. Es ist einseitig. Und in der Einseitig der Dinge tue ich mir nicht mehr gut. Ich setze meine Sicherheiten aufs Spiel und genüge mir wieder nicht. Ich passe nicht mehr auf mich auf. Ich lasse mich gehen. Und so sitze ich hier halt. Den Fehler suchend. Die Lösungen suchend. Ich lande bei mir. Immer wieder. Ich reiche eben nicht. Es reicht nicht, was ich mache. Denn ich mache ja gerade nichts, außer den Gedanken in meinem Kopf ein paar sichtbare Wörter zu verleihen. Das ist alles. Es reicht nicht.
Es reicht eben nicht, ein guter Vater zu sein, wenn du ständig unterwegs bist, das Handy in der Hand hast, Mails beantwortest, Termine wahrnimmst und dann hier rumsitzt und die Zeit, die du eigentlich hättest, nicht voll ausschöpfst. Es reicht nicht, nur Mann zu sein. Es reicht heutzutage nicht mehr. Und du bist noch lange kein guter Vater, nur weil du ein paar tolle Fotos zeigst. Du mu .. nee. Ich muss mehr sein. Jeden Tag habe ich das Fettnäpfchen, mir in einer Beziehung nicht zu genügen. ICH MIR! Es kann nur ich sein. Es geht immer von mir aus. Es reicht nicht, wenn ich mit Sport anfange, ich muss dabei auch abnehmen. Sonst reicht es nicht. Wem reicht es nicht? Mir. Wie immer. Es reicht nicht, was und wie ich hier schreibe – aber das hatten wir schon. Oft genug. Eigentlich könnte ich ja nochmal darauf rumreiten. Oder es so oft schreiben, wie es in meinem Kopf rumschwirrt. Ich könnte auch erzählen, wie toll diese Leseabende und Begegnungen sind. Und doch reicht es nicht. Mir reicht es nicht. Manchmal ist es sogar zu viel, wenn ich mit meiner Ungeschicktheit und den Fehlern nicht zurechtkomme. Es genügt mir nicht, was ich mache.
Fragen.
„Herr Bock, perfekt muss man nicht sein. 80% reichen auch.“ Der Satz ist hängengeblieben. Sehr passend. Wenn ich doch nur wüsste, was diese nur 80% sind. Wann wäre es denn perfekt? Von perfekt bin ich ja selbst schon weg. Aber wann wäre es einfach mal gut? Wann kann ich das denn einfach als gut annehmen? Wann reicht denn mal, was ich mache? Kann es auch mal weniger sein? Bin ich zu schnell zu weit gegangen? Muss ich es noch steigern? Kann ich das nicht einfach mal genießen? Und darf ich überhaupt „Erfolg“ genießen oder muss ich mich weiter schämen, weil die Generation meiner Eltern mir genau das eingeimpft und ich heute immer einen Grund suche, warum es schlecht sein muss? Suche ich eigentlich wirklich, oder funktioniert das noch automatisch?
Wie es sich anfühlt, wenn ich Lob nicht annehmen kann? Schrecklich. Es ist schrecklich. Ich finde Lösungen für mich, es irgendwie zu konservieren und an guten Tagen nochmal zu schauen. Ich brauche kein Lob, damit ich Bestätigung bekomme. Ich würde sogar darauf verzichten, wenn es möglich wäre. Aber so ganz? Geht es nicht. Immerhin wollt ihr euch auch irgendwie bedanken. Jetzt mal ehrlich: Wofür? Das ich nichts tue, außer hier ein paar Worte zu schreiben? Euch von meiner beschissenen Vergangenheit zu erzählen? Von dem, was nicht aus mir geworden ist? Von all dem, was ich verbockt habe? Ja, ist ok. Ich mach ja nichts. Wie es ist, wenn ich mit Lob überschüttet werde? Schlimm! Manchmal ist das richtig schlimm. Ich versuche das auszuhalten – auch wenn mir das richtig unangenehm ist. Andauernd. Ich suche den Haken. Ich suche permanent etwas, um es dann direkt abzuwerten. Das ist nicht fair! Es ist nicht fair von mir, eure ernst gemeinten Aussagen abzuwerten. Also lerne ich es auszuhalten. Für mich. Manchmal kann ich das Gute auch fühlen und freue mich mit. Raste mal kurz aus, wenn was wirklich Gutes passiert, transportiere es aber nicht weiter. Weiter in die Tage, an denen ich nicht genüge. Mir nicht. Und vielleicht auch anderen nicht. Und dann bin ich auch zu viel. Im Weg. Ein Belastung. Weil ich gefangen bin in den Zweifeln und mache aus dieser Angst einfach nichts mehr.
Schmerzen.
Manchmal tut es weh, dass ich mir meinem Glück selbst so im Weg stehe. Manchmal tut es weh, dass es von „außen“ etwas gibt, was mich so sehr niederringt, dass all das wieder ausgelöst wird. Manchmal möchte ich all diese Schmerzen nicht mehr. Schmerzen, die mich zu einer Behinderung statt einer Bereicherung machen – denn was mache ich schon, außer hier zu sitzen und zu schreiben? Was mache ich schon, außer mir zu viele Gedanken über etwas, was nicht sein muss? Was mache ich schon, außer Zeit damit zu verschwenden, mich meinem Schmerz hinzugeben und mir den immer wieder bestätigen zu lassen? „Siehste, Markus.“ Seh ich. Immerhin das sehe ich.
Ich bleibe hier heute noch etwas sitzen. Vielleicht auch morgen. Ich werde weitermachen. Mit allen Sachen. Irgendwie. Und ich werde auch wieder sehen, was ich tue. Vielleicht fühle ich es auch irgendwann – wieder. Heute? Habe ich nichts gemacht. Ich habe nicht genügt. Ich habe nur diese paar Zeilen geschrieben und keinen Weg aus dem Kreislauf gefunden. Ich habe nur ein paar Momente mit meinem Sohn gespielt. Ich habe nicht die Wäsche zusammengelegt. Ich habe andere Kleinigkeiten nicht erledigt. Es hat nicht genügt. Sitzen reicht eben nicht aus, aber ich sitze hier. Mit mir. Und ich bin mir jetzt gerade zu viel. Aus dem Weg? Kann ich mir nicht gehen.
6 Kommentare
Das liest sich so bei dir, als ob du arg hart konditioniert wurdest in deiner eigenen Erziehung in der Hinsicht das du niemals mit dem zufrieden sein solltest / kannst was du erreicht hast und somit auch nicht mit dir. Das wäre und ist dann übel, da dich dass sowie dessen Auswirkungen bis heute verfolgen.
Somit wäre aus meiner Sicht der Ansatzpunkt erst mal, dass du für dich herauszufinden solltest ob und was dir wichtig ist. Dann basierend auf dem Ergebnis weiter schauen, wie viel von diesem „ich bin nicht genug“ automatisch in dir abläuft und entsprechend dem entgegen wirken mit der Aussage das du „manchmal nicht genug sein musst und das vollkommen in Ordnung ist“ für dich.
Ich kann das was die konditionierung angeht nachvollziehen, da selbst erlebt wie durchlebt und teilweise schon überschrieben mit verträglichen Eigenschaften. ?
Ich sitze auch hier und genüge mir nicht. Trotzdem tut es gut zu wissen, daß es viele Menschen gibt, die dieses durchmachen und so empfinden. Es macht mir zumindest Mut, daß ich noch nicht verrückt bin. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut Du das zum Ausdruck bringen kannst. Vielleicht hilft es unseren gesunden Mitmenschen uns etwas zu verstehen. Wenn ich gefragt werde, was denn los ist, kann ich immer nur die Schultern kurz zucken. Verständlich erklären kann ich diesen Zustand nicht. Auch diesen Tag bekommen wir rum.
Markus Bock. Ist wie er ist. Einfach so. Einfach richtig. Keine Rolle … Mensch! Und … Mann!
Alter, du bist total okay!
Uns Kerlen hat irgendjemand ins Hirn geschissen von wegen „wir zählen nur was, wenn wir geil funktionieren und regelmäßig Berge versetzen“. Wir sind was wert, wenn wir „Großes“ vollbringen. Sind bewundernswert, wenn die Follower-Zahlen stimmen.
Und wenn wir mächtig engagiert sind und die Welt zu unserem machen.
„Muss nur mal schnell die Welt retten“ … – ich mach dann das Universum gleich mit. Bisher.
Mittlerweile gelingt es mir einem Job nachzugehen: Ich stehe (kreisch) morgens um 3.19 Uhr auf, begebe mich zum Ablageplatz und trage diese Zeitungen aus.
Immer wieder bleibe ich dabei mal stehen und … lausche der Stille der Stadt. Nehme den unglaublich klaren Sternenhimmel wahr. Registriere die relativ vielen Fenster, bei denen schon Licht rausstrahlt.
Dieses Schreiben von dir, diese Handlung, dieses Indichgehen, AufderSuchesein, dieses über das Schreiben sich innere Aus- und Aufrichten, sich wieder ins Spüren bekommen,
Markus …
das trägt extrem zum Weltfrieden bei!
Alles wollen wir Leister „richtig“ machen. Vater sein reicht nicht, Supervater ist angesagt. Auch im Sex definieren wir uns über Größe und Länge und der „moderne Mann“ über die Empathiefähigkeits-Skala von 1-10.
In „reicht“ nicht, Markus, steckt REICH.
Was ich von dir mit bekomme, empfinde ich als reich.
Herzliche Grüße aus Lüneburg
Klaus
Klaus, was soll ich sagen? Danke? Reicht eigentlich nicht. Zack, da ist es wieder. Und doch muss ich es dabei belassen. Danke für deine – wieder mal – gut gewählten Formulierungen, die es wohl exakt auf den Punkt bringen.
Herr Bock, wie gelingt es dir eigentlich, in meinen Kopf zu gucken? Du schreibst meine Sätze. Meine Gedanken. Es ist schmerzhaft und tröstlich zugleich, das zu lesen und sich selbst darin zu finden.
Diese Seite und die Schilderungen dieser Gedanken helfen mir. Sie helfen mir, da
ich weiß, dass ich nicht allein damit auf der Welt bin. Ich lese häufig auf dieser Seite rum und genüge mir währenddessen auch nicht, da ich andere Alltagsdinge zu regeln hätte.
Aufräumen, putzen, Wohnung einrichten, noch ein wenig für die Arbeit tun, wo ich dem Kontierungsmodell nur unter Aufwendung vieler Kräfte, die ich eigentlich für mich brauche, genügen kann. Ich müsste erstmal mir selbst genügen, damit das Alles „gerade“ kommt. Tue ich nicht; selbst, wenn mir was gelingt. Werde ich unterstützt oder geht mir jemand zur Hand entwertet sich das Ergebnis für mich. „Das hätte ich alleine nicht geschafft“ / „Anderen wieder die Zeit gestohlen, die Sie selbst gebraucht hätten“.
Gibt es eigentlich ein Projekt oder Budget für Grübeln? Ineffizient sein, sich sortieren? Evtl. einfach mal Banane sein, etwas nicht „Verrechenbares“ zu tun?
Ich versuche das seit über acht Jahren; wenn ich das Gefühl habe, das es klappen könnte, wird der Stundensatz erhöht. Höher, weiter, schneller. Noch weniger Zeit, sich Freiraum für Ineffizienz zu lassen. Mir fehlt dieser Knopf, der umschaltet. Klick. Ich würde Vieles dafür tun, dass das mal funktioniert.
„Mehr, weiter, höher, Gas geben“ / „Stör Dich nicht an den Zahlen“. Sie stören mich aber. Zahlen haben sowas Beruhigendes, Berrechenbares. Sie werden nach Gesetzen verrechnet, die allgemein akzeptiert werden. Wären Gefühle Formeln könnte ich nach einem gefühlten Scheitern schauen, wo ich mich verrechnet habe und es beim nächsten Mal besser machen. Die Transferleistung erfolgt nicht. Kann es nicht. Zuviele Variablen, zuwenig Gleichungen – unendlich viele Lösungen oder keine. Hilft mir Beides nicht.