… wenn du in den Spiegel schaust? Kennst du dich? Weißt du wirklich, was dir gut tut? Und wieviel davon machst du, wenn du es überhaupt machst? Hast du dich in deine Rolle ergeben, oder versuchst du etwas daran zu arbeiten?
Nun. Der Spiegel und ich. Wir kennen uns. Manchmal nicht unbedingt sehr freundlich, aber wir kennen uns. Und immer wenn ich in diesen Spiegel schaue, erkenne ich mich. Rein äußerlich zumindest. Immerhin muss ich schon 35 Jahre mit mir leben, da sollte das ja funktionieren. Doch was ist mit dem Rest? Was ist mit den Gedanken? Sind das meine? Oder sind das Gedanken, die ich denken muss, weil ich mich jemand oder etwas als Auslöser dazu zwingt? Bin ich denn gezwungen, überhaupt zu denken? Ja. Ja, immer und immer wieder.
Es vergeht eigentlich nie ein Tag, an dem ich völlig frei von irgendwelchen Selbstzweifeln oder -kritiken bin. Das muss niemand von außen machen, das kann ich ganz gut alleine. Es ist schön, wenn ich nach außen eine gewisse Selbstsicherheit ausstrahle, einen Plan in die Tat umsetze und für Dinge einstehe. Doch wie ist es drinnen? Wie viele Gedanken vergehen, bis es sich wirklich gut anfühlt?
„Ich möchte da rausgehen, und über die Krankheit sprechen, wie es sich anfühlt, wie man damit lebt, was sie verursacht. Und ich möchte eine Brücke schlagen zwischen Angehörige und Betroffene“, habe ich mal selbstsicher gesagt. „Ich organisiere mir das alles selbst, damit ich nicht von anderen abhängig bin. Ich weiß, dass ich dazu in der Lage bin und ein gewisses Know-how mitbringe“, habe ich noch oben draufgesetzt. Doch manchmal überkommen mich diese miesen, kleinen Zweifel, die sich hinterrücks kichernd einschleichen und dir erzählen: „Du schaffst das nicht, du schaffst das nicht, du schaffst das nicht.“ Zack, wieder drin. Wer kommt? Wie viele kommen? Sagt überhaupt ein Ort dann auch ja? Schaffe ich das wirklich zeitlich und emotional? Passt meine Idee? Wie werde ich gesehen? DA! „Na, wie wirst du schon gesehen?“, kommt es direkt aus dem Kopf. „Du bist halt auch nur einer mehr, der da was erzählen will. Die denken eh alle, dass es nur um dich und deine Geschichte geht.“ Das mag stimmen. In Teilen. Nicht ganz. Aber ich schweife ab.
Selbstzweifel. Die Angst, nicht gut genug zu sein. Hast du zu lange diese Angst, gehst du in Wissen über. Ich weiß, dass ich nie gut genug bin. Und ich weiß auch, dass das nicht stimmt. Aber ich weiß, dass es nicht reicht, was ich tue. Und doch weiß ich, dass das auch wieder nicht stimmt. Jeden Tag gibt es irgendwo einen kleinen Auslöser, der mir genau das zeigt. „DU BIST NICHT GUT GENUG!“ Immer. Ob ich will, oder nicht. Natürlich kann ich nach Jahren mit diesem Wissen irgendwie damit umgehen. Irgendwie eben. Und wenn nicht, dann suche ich mir eben Bestätigung von außen. In der Liebe, in der Arbeit, bei Freunden. Irgendwo. Ich brauche dann diese Aufmerksamkeit, weil ich selbst nicht hinbekomme und mich klein fühle. Natürlich weiß ich auch da, dass das der völlig falsche Weg ist. Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, dieses Bedürfniss kurzfristig befriedigt zu bekommen. Was ist dann in ner Stunde? Oder morgen? Geht die Suche aufs Neue los? Ja. JA! Verdammt. Wie eine kaputte Schallplatte, die permanent die gleiche Stelle abspielt. Es sind einfache Glaubenssätze, die sich schneller einbrennen, als die guten Formulierungen.
Das Schlimme daran ist, dass diese Gedanken und die Suche so viel Platz einnehmen, dass gar keine Zeit mehr für die schönen Dinge bleibt. Wie viel nimmst du denn wahr, wenn du unablässig mit negativen Gedanken beschäftigt bist? Oder lenkst du dich schon mit irgendwas ab, damit du die gar nicht erst haben musst?
Selbstzweifel und Angst zerstören. In erster Linie dich selbst. Weil du dich auf die falschen Dinge konzentrierst. Sie nehmen dir jedes Selbstvertrauen und du stellst dich immer hinten an. Ist doch schön, wenn man die Bedürfnisse anderer befriedigen kann, tut doch gut, oder? Nein, ich weiß. Aber es ist so einfach. Selbstzweifel nehmen dir jede Art von Kreativität, weil du dich permanent infrage stellst und nicht mehr sehen kannst, wie toll irgendwas ist. Und Lob annehmen? Geht immer. Nur nicht mehr für dich selbst. Selbstzweifel zerstören deine Beziehung. Du suchst nur Aufmerksamkeit, klammerst, hast Sehnsucht oder stellst dich ebenso weit hinten an, dass dich dein Partner gar nicht mehr richtig wahrnimmt. Und so weiter, und so weiter, und so weiter.
Hallo Selbstzweifel. Unter uns: Auch jetzt beim Schreiben sind sie da. Sie analysieren gerade den Text, finden Fehler und meinen, dass ich zu wenig Informationen reinbringe, was ich dagegen tun kann. Und kurz vor Ende des Artikels, speicher ich ihn ab und bin soweit, dass ich ihn doch in den Papierkorb verschiebe. Oder auch nicht, ich weiß es nicht.
„Kannste doch was gegen tun.“ Natürlich. Positive Glaubenssätze? Hab ich versucht. Hilft. Also meistens ein bis drei Minuten. Irgendwelche Übungen? Nein. Danke, nein. Manchmal sind Selbstzweifel nicht das Resultat einer depressiven Episode, sondern wie wir gelernt haben, mit uns umzugehen. Ich habe zwar die Chance, durch Seminare und Trainings etwas zu verändern, aber ist das wirklich die Lösung? Bin ich da an der Wurzel des Auslösers? Nein. Oft sind es die Menschen, die uns am nächsten sind, die das auslösen. Wenn du als untersetztes Kind immer wieder gefragt wirst, ob du denn schon was abgenommen hast, oder ob du schon wieder zugenommen hast, wird das keinen positiven Effekt haben. Natürlich ist das eine Lapalie, die sich aber über Jahre einfach einbrennt: Du bist zu fett. Punkt. Noch einen? Ok. „Du schaffst es nicht …!“ „Nur wenn du dich anstrengst, wird aus dir auch mal was …!“ „Das war doch klar, dass du es nicht hinbekommst …!“ „Du bist einfach zu dumm für …!“ Herzlichen Glückwunsch. Damit treffen wir genau in das Ziel, wo es nicht hin soll.
Ich wünsche mir, dass wir – wie immer – nicht einfach und leichtfertig irgendwas in der Art sagen. Werdet empathischer und nehmt euch Zeit, auf euren Gegenüber einzugehen. Es ist wichtig. Wirklich wichtig.
Für heute schalte ich meine Zweifel aus. Der Artikel geht auch – voller Mut – ohne Korrekturlesen online. Vielleicht halte ich es durch und muss im Nachhinein nicht nochmal reinschauen.
Aber halt. Eine Frage noch: Wer bist du denn nun? Bist du wirklich du, oder lässt du dich von deinen Zweifeln bestimmen?
2 Kommentare
Dieser Text ist sowas von auf den Punkt gebracht…. Ich bin gerade sehr berührt, weil ich mich und auch andere mir nahe stehende Personen wieder erkenne…. Ich sag einfach Danke für den Anstoß, vieles mal wieder zu überdenken.
Du sprichst mir aus der Seele mit Deinen Worten Die Anerkennung der anderen bringt eine kurze Ruhe in die Selbstzweifel, aber eben nur eine kurze Und wie Du schreibst lassen sich die Selbstzweifel eben auch nur kurz durch vernünftige Gedanken beruhigen Da ist der gesunde Erwachsene von dem meine Therapeutin immer spricht .. Aber er lebt eben nicht in mir, sondern ich muss ihn immer bewusst hervor holen.
Danke Mama, das hat Dein Bedürfnis mich zu ‚verbessern‘ in mir bewirkt. ?