Liebst du schon …

… oder suchst du immer noch nach der Nähe, die du als Kind nicht bekommen hast? Ist es in deiner Beziehung wirklich Liebe mit Freiheiten, oder die Suche nach der Erfüllung deiner Bedürfnisse, die du nie bekommen hast? Empfindest du dich als wertlos, wenn du nicht das bekommst, wonach du dich so sehr bei deinem Partner sehnst? Würdest du dich selbst dafür aufgeben, damit du es bekommst? Liebst du wirklich und aufrichtig, oder brauchst nur jemanden, der für dich da ist und dir das Gefühl gibt, was du unbedingt haben willst? Wie alt bist du, wenn du das so fühlst? Bist du jetzt du, oder das kleine Kind, dass emotional erpresst oder vernachlässigt wurde? Kannst du ehrlich antworten?


Emotionale Abhängigkeit. Manchmal bin ich auch in dieser Falle. Da sitze ich entspannt auf dem Sofa und merke, wie der Unmut in mir aufkocht. Ich suche mal wieder händeringend nach Nähe. Nach Armen, die mich festhalten. Nach Schultern, an die ich mich anlehnen kann. Nach Zuneigung, die ich als Kind so sehr gebraucht hätte. Mir wurde sie nicht verwehrt, weil es eine Bestrafung sein soll, nein, aber es gab sie einfach nicht. Natürlich waren meine Eltern da, sie waren es irgendwie immer. Nur ihre Nähe nicht. Die Liebe hat gefehlt. Als Kind war mir nicht bewusst, was da so sehr fehlt. Heute? Ist es oft ein schwerer Weg, mich aus dem Gefühl zu befreien.

Warum das eigentlich so schlimm ist? Nun. Stell dir vor, du lebst in einer glücklichen und gesunden Beziehung. Und nun stell dir vor, dir fehlt oft das Selbstbewusstsein und die Achtung vor dir selbst. Und dann stell dir vor, du suchst immer nach Nähe. Du brauchst die Bestätigung deines Partners. Du brauchst die Wertschätzung und Anerkennung, du willst gelobt und gesehen werden. Und vor allem willst du Liebe. Du willst jeden Tag geliebt werden – wie das Kind, dass das damals nicht bekommen hat, bettelst du jeden Tag darum. Natürlich nicht offen. Du schweigst es aus und wartest darauf, bist jeden Tag aufs Neue verletzt, weil dein Partner deine Abhängigkeit nicht befriedigt. Wie auch, wenn du etwas wortlos erwartest? Selbst ausgesprochen, sollte es als Wunsch formuliert sein, das mildert die Nichterfüllung etwas ab. Aber dennoch ist da etwas: Das verletzte Kind auf der Suche nach Liebe. Elterlicher Liebe. Elterlicher Zuwendung. Elterlicher Nähe. Und das ist etwas, was mir meine Partnerin nicht geben kann und auch nicht darf. Dein Partner dir übrigens auch nicht. Das ist etwas, wofür Partner in Beziehungen nicht zuständig sind.

Lieben was ist ….“ Ach! Wenn es doch nur so einfach wäre. Sich selbst lieben. Und sich selbst geben, was einem fehlt. Nein, ich liebe mich nicht. Ich bin mir noch immer sehr oft einfach egal. Ich stelle mich hinten an. Und ich mache das mit Absicht. In genau den Momenten, wo ich die Bestätigung, Aufmerksamkeit und Liebe brauche. Ich habe nicht das Selbstbewusstsein, etwas gegen Vorschläge zu sagen, sondern mache sie mit. Ich habe ein großes Problem, wenn ich die Entscheidungen nicht mehr alleine treffe, sondern mich meiner Partnerin hingebe und mein Leben von ihren Entscheidungen abhängig mache. „Hey, vielleicht bekomme ich dann ja etwas zurück.“ Nein, weit gefehlt. Das einzige, was ich dann wirklich bekomme, ist die Gleichgültigkeit. „Der macht sowieso alles mit. Er möchte gar nicht für sich einstehen. Widerworte hat er sowieso nicht.“ Doch. Habe ich eigentlich schon. Nur ich sage sie nicht, weil der „Weg des geringsten Widerstandes“ der vermeintlich einfachere ist. Ist er nicht. Ja, das weiß ich auch. Dennoch ist es das, was mir mein Kopf sagt. Weil es schon immer so war. Seit Jahren. Seit über einem Jahrzehnt. Was ist also, wenn ich gar nicht so richtig geliebt habe, sondern in einer Beziehung war, damit ich das Gefühl befriedigt bekomme, was mich so sehr verletzt? Es wäre also auch wieder eine Lüge anderen Menschen gegenüber.

Ja, ich bin auch heute noch abhängig. Manchmal suche ich wie ein Süchtiger nach einer Bestätigung, damit der Selbstwert etwas gesteigert wird. Schlimm ist nur, dass mir jeder etwas Lob mit auf den Weg geben kann – es ist nur nicht das, was ich wirklich brauche. Ich möchte geliebt werden. Von meinen Eltern. Ja, ich bin oft noch immer das kleine Kind. Den Kreislauf durchbrechen? Ja, gerne. Also, wirklich gerne. Ich schaffe es nur nicht. Noch nicht ganz.

Aber ich arbeite dran. Jeden Tag versuche ich meinen eigenen Wert zu erkennen. Ich bin nicht klein und unwichtig. Im Gegenteil. Ich bin in vielen Sachen gut, werde gebraucht und kann etwas. Ich bin nicht das, was mir mit auf den Weg gegeben wurde: „Mach weiter so, das wird eh nichts. Als wenn aus dir was werden würde.“ Ich bin selbstbewusst – auch wenn ich die Leistung im Anschluss abwerte. Ich kann da rausgehen und reden. Mit fremden Menschen. Ich weiß, dass es mein Gefühl ist, was ich ausleben muss. Nicht jemand anders. Und ich kann meine Gefühle nicht von anderen Menschen abhängig machen, ob sie mir gut tun oder mich verletzen. Ich muss mich dabei hinterfragen, warum es mich verletzt.

Und es wird Zeit, loszulassen. Was wäre denn, wenn ich es nicht mache? Nun, dann schade ich mir körperlich und seelisch einfach weiter. So wie immer. „Hey, das kannste doch gut, das lief doch immer super. Und du lebst ja noch.“ Nein! Verdammt! Ich möchte so gerne loslassen – und doch funktioniert es oft noch nicht. Ich habe Angst, frei zu sein. Ich kann die mich immer wieder verletzenden Situationen einfach nicht hergeben, weil ich noch immer darauf hoffe das zu bekommen, was ich mir so sehnlich wünsche. Auch wenn ich am Ende weiß, dass es nicht so sein wird. Vielleicht bin bald bereit, das so zu akzeptieren. Vielleicht kann ich mich dann lösen und frei sein. Vielleicht. Denn ich weiß, meine Kindheit bekomme ich nicht wieder. Ich darf jetzt endlich erwachsen sein – ich darf mir selbst wichtig sein.

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8 Kommentare

  1. Das ist wirklich sehr wundervoll ausgedrückt! Alles passt auf den Punkt . Man will seinen partner nicht verletzen aber tut es unbewusst grade dadurch man verletzt sich selber so weit bis alles auseinander bricht obwohl. Es so schön sein könnte! Die emotionale Abhängigkeit ist der Tod jeder Beziehung. Man will es abstellen aber es geht nicht selbst wenn es kurz vorm zerbrechen ist. 2 Herzen die zueinander gehören aber es nicht können wegen so einem mist. Der Text spricht alles aus was man darüber denkt und fühlt. !

  2. Mir geht es genauso. Und ich kenne etliche, denen aus auch so geht. Die haben das alle gemeinsam. Und noch etwas haben sie alle gemeinsam: Depression. Eigentlich ist es ziemlich einfach. So von den Ursachen her.

    Nur die Lösung, die habe ich leider nicht. Denn die alten Bedürfnisse gehen nicht einfach weg, nur davon, dass ich ihnen Auge in Auge gegenüberstehe. Wie viele Beziehungsversuche habe ich nun schon in den Sand gesetzt, nur weil es in Wirklichkeit im das Kind im Mann ging? Dieses Kind im Mann, das gar nicht das süße Ding ist, das man meint, wenn man das sagt. Sondern ein plärrendes, rotzendes Etwas, das dringend mal Trost bräuchte? Also das Gegenteil von attraktiv, wenn man mal nicht mehr 5 Jahre alt ist? Schön, vielleicht kann ich also das in Zukunft vermeiden, dass diese alten Bedürfnisse die Zügel in der Hand haben. Das verhindert hoffentlich das Mehren des Unglücks. Aber offen bleiben die alten Geschichten eben. An so vielen Tagen tut mir die Seele weh, genau deswegen. Mitunter ist es ein körperlicher Schmerz. Es ist zum wahnsinnig werden. Ach, das bin ich ja bereits. So what.

  3. Ich bin sprachlos ob Deiner treffenden Worte.

    Wir haben eine andere Geschichte andere Erlebnisse. Bei mir war es so, dass mir die Liebe und Zuneigung entzogen wurde um mich zu bestrafen und mich zu einem gewünschten Verhalten zu bewegen Es wurde nicht anerkannt dass ich ein eigener Mensch bin mit eigenen Träumen, Ideen Vorstellungen und auch Fehlern Ich habe mich immerzu erpresst gefühlt .. Mein ganzes Leben lang bis ich nun vor 2 Jahren krank geworden bin und eine schwere Depression entwickelt habe

    Aber das Ergebnis alls dessen was wir erlebt haben ist das Gleiche Eine bis heute bestehende Gier nach Nähe, Zuwendung, Anerkennung und Liebe Das Bedürfnis danach ist unendlich groß ja, wie eine Sucht Und es stimmt, daß Kind in mir sucht immer noch nach dieser Liebe elterlicher Liebe Es ist schwierig mich selbst zu trösten das gelingt manchmal

    Und jetzt sitze ich hier und denke darüber nach ob ich h liebe .. Oder nur auf der Such nach der Erfüllung dieses Gefühls bin, das ich so sehr brauche

  4. Schöner Beitrag, der mir voll aus der Seele spricht. Vor 6 Wochen hat meine Freundin die Beziehung beendet und ich habe es nicht verstehen wollen, habe diesen Liebesentzug nicht ertrag und tue es noch immer nicht. Gestern hat sie mir mein Verhalten noch einmal gespiegelt und ich habe es das erste Mal verstanden. Ich habe es verbockt, weil ich das trotzige, kleine Kind bin, das unbedingt geliebt werden möchte. Dass aber nie seiner Partnerin das Gefühl gab, gleichwertig zu sein, immer habe ich alles untergeordnet und ihr nie gesagt, wenn mich etwas störte. Sie tat das aber richtigerweise, was mich immer weiter in den Strudel riss, meine Selbstzweifel wachsen ließ. Dein Text hat mir sehr geholfen, den Mechanismus zu verstehen.

    Eigentlich habe ich geglaubt, ich hätte meine depressive Phase vor 2 Jahren hinter mir gelassen….

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