Die Hände werden schlagartig kalt und feucht. Alles in meinem Körper ist angespannt. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Die Hände? Fangen an zu zittern. Ich werde unruhig, ich möchte nur laufen. Weglaufen. Doch ich sitze hier. Gelähmt. Gefangen. Festgehalten. Übelkeit überkommt mich. Alles in mir will kotzen, aber nur der Würgreflex entsteht. 1 Mal, 2 Mal … 4 Mal. Ende. Glück gehabt, ich hasse kotzen. Mir ist flau, mir ist kalt, ich zittere. Ich bin im Raum, aber nicht anwesend. Ich sehe meinen Sohn spielen und lachen, aber ich bin nicht bei ihm. Er bindet mich ein, tobt, spielt, turnt. Ich bin dabei, aber nicht bei ihm, nicht in seinem Spiel. Gedanken überfallen mich. Ich muss raus aus der Situation. Rauchen. Rauchen ist meine Rettung, jetzt gerade weggehen zu können. Ich rauche. Zwei hintereinander. So funktioniert das mit der Sucht und dem Belohnungssystem im Kopf. „Komm, eine geht noch, ist nicht schlimm. Die Glimmstengel beruhigen dich ja.“ Ich zünde mir keine dritte Kippe an, aber anwesend? Bin ich immer noch nicht. Seit Tagen.
Da ist sie also, diese Angst. So fühlt sich das also an, wenn mich die Angst überkommt. Angst, die einen kompletten Tagesablauf nicht nur ins Wanken bringt, sondern zum völligen Erliegen. Nur punktuell funktioniert etwas. Nur für kurze Momente kann ich mich darauf konzentrieren, was mache und machen will. Doch die anderen Gedanken schleichen sich immer wieder ein. Ach, was heißt schleichen? Sie reißen die Tür ein und übertönen alles mit ihrem Scheiß Gebrüll. Es gibt nur die Gedanken. Ich höre von außen nichts mehr. Ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren. Was ist überhaupt konzentrieren? Tränen wollen durch. Sie ersticken. In mir. Nur für einen Moment lasse ich sie frei. Ich will mich beherrschen. Ich möchte verstehen, was und warum mit gerade etwas passiert.
Tagelanger Kopfschmerz, Anspannung, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Desinteresse, Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Übelkeit, Angst und wieder Anspannung. Abgeschlagen und gefangen. Immer wieder bin ich der Gefangene in dieser meiner Welt. Gefangen in einer Endlosschleife der Vernichtungsstrategie in meinem Kopf. Die Symptome machen mich müde. Sehr müde. Aber schlafen? Kann ich nicht. Je näher der Schlaf rückt, desto größer wird die Anspannung und ich verliere mich wieder. Ich drifte ab, ich kann es nicht stoppen, ich falle weiter. Und noch ein Stück.
Irgendwann hast du das Gefühl, dem Gewitter nicht mehr zu entkommen, das in dir tobt, als würde es in den Bergen festhängen. Vielleicht bin ich der Berg, der nur stark erscheint.
— Herr Bock (@verbockt) 11. Februar 2018
„Du bist stark. Schau mal, was du schon mit dir durchgestanden hast. Guck mal, was du jetzt durchstehst. Wenn es jemand anderen getroffen hätte, dann hätte es ihn wohl komplett zerrissen.“ Wie stark bin ich wirklich? Wie viel fange ich ab und auf? Wie groß ist mein Anteil im Moment? Wie stark sind andere gerade für mich, weil sie mich fangen, unterstützen, begleiten oder schweigend Aufgaben übernehmen, tolerieren und aushalten? Ich habe keine Ahnung. Ich habe nur ein Gefühl: Jetzt bin ich gerade eine Last. Ich bin seit Tagen eine Last. Ich bin einer Belastung ausgesetzt, die alle anderen Teile meines Lebens mit einnimmt. Ich bin auch die Last, die gerade kaum auf Nachrichten antworten will, kann oder schafft. Mir fehlen die Worte. Ich finde sie kaum. Ich bin gefangen in mir, in diesem Strudel. In diesem, meinem Leben.
Der Notfallkoffer? Funktioniert nicht. Nicht richtig. Es ist alles drin, aber ich bekomme ihn nicht auf. Ich habe auch keine Lust, ihn jetzt zu suchen. Ich schaff es nicht. Ich bin in meinen Gedanken. Oder sind sie diesmal in mir und bestimmen mich? Warum kann ich nicht so gut wechseln und handeln, wie ich es sonst mache? Wo ist die Routine meines Koffers und der Selbstfürsorge? Wo ist all das plötzlich hin? Warum geht die Tagesstruktur nicht? Ich muss sie doch einhalten, das habe ich mir auferlegt. Vielleicht kann ich mir ein oder zwei Tage verzeihen, aber dann? Ich kann doch nicht wieder völlig verwahrlosen. Ich kann doch nicht jetzt so weit nach hinten fallen. Oder doch?
Und dann kommt sie wieder durch, diese Angst, die mich hier lähmt. Angst, ich gehe zu weit zurück. Angst, ich verliere all das, was mir lieb und wichtig ist. Angst, dass es verdammt dunkel um mich wird. Übelkeit macht sich breit. Ich möchte kotzen. Gott sei Dank ist es nur der Würgereiz, denn ich hasse es zu kotzen. Die Hände zittern und schwitzen wieder. Die Muskeln sind angespannt. Der Mund ist trocken. Der Körper entscheidet sich für die Flucht, der Kopf möchte es eigentlich noch nicht und kämpft gegen an. Doch ein richtig klarer Gedanke ist gerade nicht mehr möglich. Tausend Sachen schießen wie Blitze durch den Kopf, aber nichts ist strukturiert. Ich höre Lachen. Mein Sohn. Meine Mundwinkel bewegen sich nicht. Ich bin zwar da, aber nicht anwesend. Ich kann nicht lächeln. Ich will nicht lächeln. Ich will nicht reden müssen. Und schon gar nicht mehr denken.
Fürsorge. Sie hat funktioniert. Vielleicht war es nicht vernünftig nach Bochum zu fahren, aber es war richtig und wichtig. Ich habe nicht alles aufgegeben. Ich habe es geschafft. Und ich habe vorgesorgt. Ich hatte die passende Musik laufen, ich habe das Handy mit 2 Nummern in der Schnellwahl bereit gehabt. Ich hatte mein Lieblingsgetränk dabei und ich bin angekommen. Es war anders. Es war tiefgehender. Es war emotionaler. Und danach? Hat es mich zerrissen. Gespräche und Fragen prasseln auf mich ein, ich höre alle Stimmen, aber ich bin nicht im Gespräch. Ich antworte kurz und knapp. Ich bin beschäftigt. Mit meiner Angst. Mit mir. Mit aufkeimender Panik. Ich habe mich wieder gefangen. Und ich habe es auch nach Hause geschafft. Es war schwer, anstrengend und bewegend. Aber: Ich habe es geschafft. (Ich habe auch wundervolle Menschen wiedergesehen. Danke, dass ihr mich ein Stück aufgefangen habt. Danke, für die Nachrichten hinterher. Ich weiß, es war richtig zu fahren.)
Es dauert etwas, aber ich werde mich wieder finden. Ich werde wieder in meine Struktur kommen. Ich werde wieder so stark sein, wie vorher. Das jetzt? Kostet mich immens viel Kraft, aber ich gebe nicht auf. Ich halte aus – für den Moment. Ich versuche für mich zu sorgen und weiterzugehen. Ich bin da, nicht weg. Ich bin hier, auch wenn ich leiser bin. Ich brauche nur Zeit, Zeit für mich und das, was hier gerade alles mit mir passiert.
4 Kommentare
Sehr treffend beschrieben! Wenn man das liest, dann fühlt es sich an, als wenn man es selbst erleben würde.
Was der Kopf weiß, muss der Bauch nicht unbedingt können. Wenn die Angst da ist – welche Angst? Wovor habe ich eigentlich Angst? Ich habe doch alles, mir geht’s doch gut! – wenn diese Angst da ist, dann hilft eigentlich nur, sie in Arm zu nehmen und jemanden haben, der einen in Arm nimmt und es auch glauben können. Leichter geschrieben, als getan!
Zumal es auch immer die Frage ist: Ist es rationale oder irrationale Angst? Angst hat immer einen Grund und Berechtigung. Wenn ich die Frage beantworte, schaffe ich schon viel Erleichterung.
Dieses Herzrasen, sich im Kreise drehen unfähig Entscheidungen zu treffen, versagt, Angst, Panik und das Hamsterrad dreht sich wieder. Passender kann dieser Text nicht sein. Dieses beruhigende ich bin nicht allein, ich bin nicht total verrückt es gibt Menschen die können es verstehen, leider nur die die mit im Karussell sitzen. Aber es heißt immer wieder für nich Prinzessin du bist gefallen steh auf, richte deine Krone, lächle und geh weiter. Du bist stark du schaffst das. Nur wenn ich meine Schwäche zulasse kann ich auch wieder stark sein. Danke für diesen Text der mir gerade Licht in meine dunklen Tage gebracht hat, mir Mut gibt und hilft. Danke.